Erzgebirge - Abgeschlossen

Werde Flechten-Klimadetektiv – Wie verändert sich die Natur im Erzgebirge?

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Die sächische Flora dominieren heute Blütenpflanzen, altertümliche Gewächse wie die Schachtelhalme und Bärlappe, die heute nur noch ein Nischendasein führen, prägten jedoch vor Jahrmillionen das Vegetationsbild. Einige Organismen aber fristeten seit ihrem Auftauchen auf dem Erdball immerfort ein Schattendasein. Dementsprechend spät registrierte der Mensch auch ihre Existenz. Die wohl Seltsamsten unter diesen pflanzlichen Lebewesen sind die Flechten (Lichenes). Aufgrund ihrer Unscheinbarkeit und Seltenheit in der heimischen Natur werden sie von den meisten Menschen wohl übersehen oder für Moose gehalten. Gemeinsam mit den Moosen gehören die Flechten in die Gruppe der wechselfeuchten Pflanzen. Diese verfügen zwar nicht über eine Eigenregulation des Wasserhaushaltes, überstehen aber extreme Schwankungen ihres Wassergehaltes unbeschadet. Flechtenexemplare, die in Herbarien mehr als 40 Jahre trocken aufbewahrt wurden, zeigten nach Wiederbefeuchtung normale Lebenszeichen. Ebenso tolerant verhalten sich Flechten gegenüber extremen Temperaturen. Sie überleben eine Erhitzung von über 80°C und Kälte von bis zu minus 50°C. Flechten zeigen somit Leistungen, die von keiner anderen Organismengruppe bekannt sind. Eine weitere Superlative betrifft ihre Lebensdauer. Viele Flechten wachsen extrem langsam. Den negativen Rekord halten die sogenannten Krustenflechten, die ihrer Form nach von den Laub- und Strauchflechten unterschieden werden. Eine auch besonders in den höheren Lagen des Erzgebirges heimische Flechtengattung, die sogenannte Landkartenflechte (Rhizocarpon) gilt als der Organismus mit der höchsten Lebenserwartung der gesamten Lebewelt. Anhand von Wachstumsberechnungen schätzten Wissenschaftler ein in Lappland vorkommendes Exemplar dieser Flechte auf über 9500 Jahre. Flechten sind weltweit verbreitet. Als Unterlage nutzen Flechten praktisch jedes Material: natürliche Substrate wie Erdboden, Baumborke, Felsen, Holz und Blätter, ebenso wie vom Menschen geschaffene Oberflächen. Dieser weiten Verbreitung der Flechten und ihrer fast unglaublichen Widerstandsfähigkeit aber ungeachtet stellen gerade diese Lebewesen die wohl am stärksten gefährdete Organismengruppe in Sachsen dar. Der Grund dafür ist in der extremen Sensibilität der Organismen Luftverschmutzungen gegenüber zu suchen. Luftverunreinigungen wie Schwefeldioxid aus den Abgasen der Verbrennungsprozesse in Industrie und Haushalt sowie saurer Regen machen den Flechten am meisten zu schaffen. Verschwunden sind die dichten Flechtenbehänge der Bäume, die früher in Sachsen ein alltägliches Bild abgaben, sowie die dichten Matten an nährstoffarmen Bodenstandorten. An letzteren Standorten kommen nun auch noch die neuerlichen Schadensprobleme wie Überdüngungseffekte durch die Stickoxide aus dem Straßenverkehr und der Landwirtschaft hinzu. Diese ausgesprochen sensible Reaktion gegenüber Luftschadstoffen haben Flechten zu einer traurigen Berühmtheit verholfen: schon Ende des 19. Jahrhunderts erkannte man, dass Flechten als Indikatoren für die Qualität der Luft dienen können. Inzwischen hat sich die Kartierung epiphytischer Flechten in Mitteleuropa zu einem Standartverfahren für die Darstellung der biologisch und für den Menschen relevanten Immissionssituation entwickelt. Bleibt zu wünschen, dass diesen ungewöhnlichen Lebensformen auch in der sächsischen Natur mehr Beachtung geschenkt wird und dass mit der Verbesserung der Luftqualität sich auch die bunte Flechtenvielfalt Standorte zurückerobert, wie es erste Anzeichen andeuten.

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